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Woher wir kommen

Die Frage, wer man ist und woher man kommt, begleitet uns wohl ein Leben lang. Bei mir schien es vom ersten Tag an klar zu sein. Als mich die Krankenschwester durch ein Glasfenster der Verwandtschaft präsentierte, brachen alle in schallendes Gelächter aus. Zu dicht drängten sich die vielen rabenschwarzen Haare auf meinem Kopf und in mein Gesicht. Zu sehr ähnelte mein trotziger Gesichtsausdruck dem meines Vaters. Es bestand kein Zweifel, ich war eine Schwemmlein, und das wurde nicht mit Stolz behauptet. Mein Vater war ein Flüchtlingskind, geboren in Djakovo, Slawonien, einer Provinz Kroatiens, Sohn einer schönen, stolzen Volksdeutschen und eines Militärpiloten, den mein Vater niemals kannte. Evica war die Tochter eines Maurers, Anton Raumberger, der sich ein gutes Leben erarbeitet hatte und in Djakovo drei Häuser besaß. Eva und Stjepan waren ein strahlendes Paar, man sagt, es sei eine Liebesheirat gewesen. Stjepan war der einzige Sohn eines Bahnwärters und einer einfachen Bauersfrau. Er hatte schon als Kind besonderes Talent in der Schule gezeigt und so wurde er auf die Mitlitärakademie geschickt. Er machte Karriere als Offizier, zuerst bei der Kriegsmarine des Königreichs Jugoslawien, später beim Heer des Unabhängigen Staat Kroatien, eines Vasallenstaats der Achsenmächte.  

So kam es, dass Stjepana Svemlajna am 10.Oktober 1943 mit einem ausrangierten Fiat BR.20 ‘Cicogna’ Bomber vom Heliodrom Mostar aufbrach, um Metall-Badewannen nach Banja Luca zu transportieren und aufgrund des schlechten Wetters und der schweren Ladung gegen die Gebirgskette Çabulja prallte. Es seien insgesamt drei Flugzeuge gewesen. Die Leichen wurden nie gefunden. All das war noch unbekannt als meine Großmutter mit zwei Kindern und ihren beiden Eltern im Herbst 1944 nach Österreich flüchtete, zu dem Zeitpunkt, als die Partisanen begannen, alle ortsansässigen Deutschen in Lager zu deportieren oder gleich zu ermorden. Es wurde nie darüber gesprochen. Es war, als hätte Stjepan nie existiert. Eva heiratete nie wieder. Sie liebte Tito, sprach mit kroatischem Akzent und fühlte sich ihr Leben lang fremd in der neuen Heimat. 

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